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  review FESTPLATTE C    

  rbd BAD ALCHEMY # 96        
     
         
   
 

 

Gute Musik ist immer ein Energiestoß und ein Lebensmittel, schrieb ich 1996 in den Liner- notes zur Hausmusik-Compilation "Festplatte". No dogsbody / no moral support / no technical support / no prime mover / no trusted assessor / no paymaster / but good music, das versprechen 21 Jahre Leberwurst und Käse später auch Erik Mälzner und Jürgen Richter. x&30 gemeinsame Jahre als Trio Senza Regula, Erika Jürgens und BRAINGRAINHOTSPOT und die 100ste Produktion von No Edition bieten zudem ausnehmend gute Gründe, die Korken knallen zu lassen und sich selber auszuschenken in obligatorischer Dreifaltigkeit und 30-facher Varianz auf - Tusch! - Festplatte C.I-III (NO EDITION # 100). Beginnend mit einem 'Vorwort' und einer Laudatio und 3 Stunden später endend mit 'Applaus', 'Zugabe' und einer Art 'Abschied', mit einem verklärten '500' vor dem inneren Auge. Dazwischen schwingen EM & JR als 'Guhjungs' die Lassos und sich auf als 'Schräge Vögel'. Von 'Jod S11'-Sonnenschein mit Immergrün beglückt und aufgeblüht vom 'Mini Nobody' zum 'Little Red Not Grey Rooster'. Ein 'Veganer Sautanz' definiert das Fest als eine gestattete, gebotene Zügellosigkeit mit feierlichem Bruch der Regeln. Aber zugleich auch als ein Fest des Denkens. Denn Intellektualität ist Wesensbestandteil der Erikalität, ebenso wie merkwürdige Melodien, fricklig knatternde Geräusche und wabernde Drones, die Eingeweide erdwärts schicken. Mit Denkanstößen wie Ritalin ist ein Bonbon / und ADHS ist ein Notensystem / und Nichtseßhaftigkeit ist eine Tugend / und Massaker ist eine Wurstfirma / und Photographie ist eine Salbe / und Schach ist ein Kinderspiel / und Beton ist ein Notizheft / und Sandkasten ist ein Kindergrab ('Und Und Und'). Ich schätze derlei unplump Vielsagendes sehr. Menschen in einen Wellensittichkäfig setzen, aus Köpfen Stroh ziehen, mit Staubwedeln, Wasserpistolen und Drahtscheren zu Werke gehen gegen Ge- und Verbote, gewaschene Hirne und ungewaschene Ohren. Zielgruppe (theoretisch): Gelangweilte Rentner und Pensionisten. Dabei ist maximaler Distinktionsgewinn garantiert: Gute Musik ist wie ein Anstecker auf dem steht: Ich gehöre nicht mehr dazu. Das Lob & der Dank werden in halbbitterer Voraussicht höchstselbst gespendet: danke für diese Katzenmusik / danke für intelligenten Stuß / danke für alle Grauigkeiten... Verbunden mit dem trotzigen Versprechen: wir machen weiter bis ins Grab / Pionierehrenwort. Freilich nicht ohne Schnauze-voll-Unterton als kritische Gefühlschronisten, Hartbrettbohrer und er-Grimmte Erdulder: korrumpierte Justiz / faschistoide Richter / ultrakonservative Anwälte / religiöse Extremisten / fanatische Fernsehprediger / wolln heimgehn / wolln heimgehn / die Arbeit ist getan / nun deckt den Tisch und schleppt den Brei... [als Endlosloop zu spielen] Das klingt dann schon etwas abschiedssymphonisch und der You'll ever [sic!] walk alone-Humor hin zu at the end of the worm / there's a grey sand / and the broad evil grin of a shark ist ziemlich dunkelgrau. Mälzner tadelt mich immer dafür, dass ich ihn bloß zitiere und nur sage, was er schon weiß. Der Schleier als totgeschwiegene Besonderlinge flattert in vorwurfsvoll selbstironischen Grautönen. Ich bleibe bei meinem ceterum censeo: Her mit dem Karl-Sczuka-Ehrenpreis für EM + JRs Lebenswerk, das - auf Augenhöhe mit Kagel, Oswald Egger, Meinecke, Wolfgang Müller... - für sich spricht durch seine von BA seit 1996 umkreisten Alleinstellungsmerkmale: Eine sonderbare Prosa, diversen Kunstköpfen in den Mund gelegt; Überkunst, ohne Berührungsangst vor Volkslied, Märchen, Groteske, Gebrauchstext; E-Gitarre, Midi-Keyboard, Computer und Samples abseits schubladierbarer Routinen. Mögen die beiden noch oft so wunderlich pflügen und säen.

rbd BAD ALCHEMY # 96, Germany

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