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  review COMPLEX THEORY OF SIMPLE PROVOCATIONS  

  rbd BAD ALCHEMY # 100        
     
         
   
 

 

Während Der Kosmische Penis in Schweinfurt synchron bei 100 anschlägt, sind Richter, Tod und Teufel in Veen schon mit höherer Schlagzahl zur letzten Weisheit Schluss voraus geeilt. Auf Complex Theory of Simple Provocations (NO EDITION #109) zeigt BRAINGRAINHOTSPOT, also Erik Mälzner (words, voice, computer, percussion, bells) & Jürgen Richter (sampler, midi-keyboard, e-guitar, e-bass, synthesizer), einmal mehr eine Nase für das faulige Fundament, auf dem die Church of Capitalism und die von Operndiven, Stand-up-Comedians, Sportkanonen, Balletteusen, Fotomodels und Klugscheißerinnen verzierte Spaßgesellschaft scheinbar so felsenfest gründen. Versprochen wird da Vielen Vieles, aber Platz findet doch nicht jede/r. Für die Zukurzgekommenen bleibt nur 'Fremdarbeit': arbeiten schlafen schweigen / arbeiten essen schweigen / arbeiten trinken schweigen / pralle Wurst praller Durst / Fron und Hohn. Ist das nicht ein starker Text? Aber starke Texte sind bei Mälzner obligatorisch. Zwar werden auch die Zukurzgekommenen bespaßt, von Leuten, die ihnen auf den Kopf / ins Hirn scheißen, doch was macht der Clown wenn keiner lacht ('Helge Trump')? Provokateur vs. Spielleiter, das ist eine Frontstellung, denn Spielleiter gehen einem aufs Hirn, aufs Herz und auf den Sack. EM & JR spielen (?) Provokateur, sie erinnern an Goethes 'Vanitas! Vanitatum Vanitas!' oder Max Stirners Einzigen, wenn sie ihre Sach' auf den Tisch gestellt haben und, frankfurterisch geschult, reimen: juchhe / hier ruhen ein Stein und ein Schweigen auf die graue Seite des Lebens / schau / die Preise steigen. Doch 'Feminister' und 'Popkultur' hin oder 'Doppelgänger' und Schlappschwanzchinesen her, die Welt ist kein Museum / wenn irgendwann die Menschen ausgestorben sind / werden die Kraken an Land gehen / und es besser machen / oder nur anders. Wie das wieder verpackt ist in eine metapoppige Elektroästhetik mit Automatenbeats und künstlich klingendem Sprechgesang, wüsste ich wieder mal keinen, der das auch nur annähernd so ähnlich fertig bringt. Zuckender Rhythmik folgen schweifende Drones und noch komplexere Automatik zu blecherner Kinderstimme, die dazu anhält, den Spielleiter zu ignorieren. Massiver Krach wird, konvulsisch-kakophon, der Gitarre entrissen. Ein knarrender Alter lässt Liselotte Kockelkoren / Pretty Yende / Lucie Pohl / Judith Holofernes... zu geiler Gitarre auf der Zunge zergehen. Richter findet auf den Saiten aber auch melancholische Echos einer einst so vielversprechenden, aber zerfetzten und zerknüllten Ära. 'No Place' stöhnt und wütet vor Trauer und Zorn und reimt low auf tomorow und blue auf you. Dem Fremdarbeiter klebt das zähe Einerlei an den Zähnen. Böse Clowns schert es nicht, wenn keiner lacht, und wer sich am Mist der 'Popkultur' laben will, der wird bedient, bis die Schwarte kracht. Die Wege von Intelligenz und Kreativität bzw. Offenheit, Instinkt & Vertrauen trennten sich schon früh, aber wo liegt das bessere Ende? Klanglich schleichen Kakophonie und Melancholie als graue Katzen in der Nacht. Ein Einarmiger orgelt auf einem krachigen Brachfeld, floppende Beats durchzucken plunderphonischen Kladderadatsch mit Geistergesang und Gitarrenfetzen. Zuletzt beraunt nochmal ein Ent elegisch das Verpulvern der Rhinozerosse und visioniert auch schon das Verschwinden des Homo 'sapiens' Wenn Nikolaus Geyrhalters posthumane Vision [deren Vorzeichen alle schon real vorhanden sind] einen Abspann bräuchte, 'Ende' wäre dafür perfekt (Geyrhalter tat freilich gut daran, ganz auf das O-Ton-Design von Kutin & Kindlinger zu vertrauen). Nichts als Ruinen und Müll als Hinterlassenschaft des evolutionären Fehlgriffs nach mehr Hirn, bizarr und beklemmend.
... (s. # 111)

rbd BAD ALCHEMY # 100, Germany

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