home  
            e-mail  
        cd   links  
          see also    
             
          reviews    

  review MORE OR LESS  

  rbd BAD ALCHEMY # 107        
     
         
   
 

 

Mehr oder weniger gut / mehr oder weniger schlecht / mehr oder weniger belanglos...Der Faktor, in dem man sich in den von ERIK MÄLZNER ausgesprochenen Gedanken selber wiedererkennt, ist erschreckend. Ebenso wenn ihm schwindlig wird beim Umeinander­sausen von Sonne und Mond. Das geht mir einfach zu schnell, knurrt er bei 'Vertigo' auf MORE OR LESS (NO EDITION # 129, DL/USB) und meint damit wohl das, was mir als freier Fall vorkommt und Büchners Danton als Ritt kopfunter auf der keuchenden Erdkugel. Dabei von Liebe schreiben, von Schönheit reden, von Natur singen, ist lächerlich. Oder ist das nur so bei Pechvögeln und von Skrupeln geplagten Sonderlingen, die vor sich mit der 'Lepraratsche' warnen? 'Wenn ihr wüsstet', was ich träume - ner Kreuzfahrt über Wasser wie mit Onno Viets, unter Wasser tauchend mit Kaleu Lott oder im Nemo 33, (T)Raum­schiff-Surprise-tief und Rühmkorf-tiefer in die Kindheit mit Quietscheente und mit Sala­mander / Arsch auseinander / Arsch wieder zu / und raus bist du. Mit 'Moodschegiebchen' [Marienkäferchen] und mit 'Henkelmann' dazu die wohlige Regression in sächsisches Gebabbel und Kindheitserinnerungen, lange nicht gedachte Wörter ziehen in die Tiefe, aus Cut-ups ergibt sich Sinn ('Cantio Rusticalis'). Schon vor Corona herrscht bei Mälzner seniorengerechte Seuchenroutine: Montag / aufstehen / essen / laufen / Mails öffnen / Radio hören / lesen / essen / CD hören / lesen / fernsehen / schlafen / Dienstag / aufstehen / essen / putzen / Mails öffnen / lesen / Radio hören / essen / lesen / CD hören / fernsehen / schlafen... ('Isolationshaft'). Gelassen sieht er Herbsttagen entgegen, die sich anbieten, hinaus zu gehn und Dichtung und Wahrheit zu suchen, denn gerade wenn das Wetter grau ist, stellen sich Musik und Poesie im Kopf ein. Ansonsten gilt der gute Vorsatz: Nichts verkaufen wollen, nicht werben müssen und vor allem nicht übertreiben. Doch die Unsicherheit, ob es wieder dunkel wird, kann einen ebenso überfallen wie ein ultimatives Happy End:
wenn du vor der Tür ständst / würden Tränen fließen / wenn du vor der Tür ständst / könnt ich mich erschießen ('Kreis schließen'). Mit der tristen Vorgeschichte: ich verlor dich an den grauen Alltag / einfach so. Und schuld war nicht der Bossa Nova, sondern Schweigsamkeit, Gewohnheit, Vergesslichkeit... ('Lorenz Goose'). Dabei ist er, wenn er im Garten werkelt und Veilchen ihn an dunkle Locken erinnern, in Gedanken immer noch bei ihr, die damals doch schon in Gedanken ganz woanders war ('Viola ioplokos'). Müssen wir uns den, der da 'ich' sagt, als Orpheus vorstellen, als Parzival (ohne Condwiramurs), als 'Marcel' (sans Albertine)? Mit Worten als Blutstropfen im Schnee oder als Madeleine-Geschmack. Ein Abzählreim oder ein Vokal (Aidaluna... U 35... Ukkel) lassen die Erinnerung springen wie einen Stein über Wasser, mit Grau als Farbton, der das begünstigt, mit Gassenhauern [Cantio Rusticalis], Floskeln, Repetitionen als Gleitmittel. Außer Josephine Bakers Bananenschurz bei 'Sans Glisser' rutscht hier alles bei diesem Tausendsassa des Made of This.

rbd BAD ALCHEMY # 107, Germany

index