|
DOPPELSPITZE (HIC RHODOS - HIC SALTA / NO EDITION # 131, DL/USB) von N.N. & NON TOXIQUE LOST bringt
Erik Mälzner mit Sea Wanton zusammen, der Synthesizer, Sampler & Laptop einsetzt. Mälzner ist dabei der
alleinige Wortführer, der NTL-Spirit ergießt sich auf der klanglichen Ebene, mit düster schnarrenden
Schlägen und einer stampfenden Gitarre, die zum heulenden Makrofon eines Katastrophenzugs irrlichtert. EM singt,
schleppend und monoton getaktet, im Tsen Brider-Countdown von 'Kollegas',
die wegen Gier, Völlerei, falscher Pillen oder in die Psychiatrie verlustig gingen:
sechs
Kollegas sin wir gewesen / haben kritisiert den Tinnef / einer konnt nich widerstehn / sind wir geblieben finnef u.s.w.
SWs Handschrift zeigt sich in Drummachinerhythmik und in Loops, die auch Stimmfetzen mitschleudern. EM legt einer Androidin Gründe in den Mund,
warum der 'Transfer mehr oder weniger relevanten Wissens' sich schwierig gestaltet, insbesondere das mit Ironie / Nuancen des
Zeitgeistes / Sarkasmus / kulturellen Bezügen / Slang-Ausdrücken / wortspielerischen Elementen operierende
der Außenseiter-Fraktion ins Establishment. Er deklamiert, während ein Kontrabass zupft und Klangwolken schnarren, dass ihn keine
Promi-Fratzen interessieren, sondern das, was sie gemalt, gesungen, gedacht haben ('Keine Portraits'). Statt Kompetenz, von der Mälzner,
halb automatenhaft, halb rhythmisch, genau aufzählt, was ihr zugrunde liegt, begegnet einem meist nur das Kri Kra gockelnder Geistes-Krüppel.
Zu rasantem Tempo klingeln taube Schellen, erregtes Blech, es schnarrt und pfeift zu kaskadierender, loopender, von Gesang und
heulender Gitarre durchsetzter Turbulenz. Mit schiller/hölderlin'schem Pathos beschwören beide - ironisch? sarkastisch? - zu Synthieschlieren
und hupenden 'Horn'-Stößen die edle Blässe des Gedankens, der, spröde und trotzig, sich plumpen Tanzpartnern verweigert,
während schwärmerische sich danach verzehren - oh komm und führe uns / den Weg zu Freiheit und
Ohnmacht [sic!]... ergänze was da liegt im Argen...
klebe ehe das Haus zusammenfällt ('Aufforderung'). Beider stimmliche Manierismen kommen da
voll zur Entfaltung, Wantons bedrängte Intensität, Mälzners knarrende Ironie.
Zuletzt ertönt U-Bahnhofslärm und Stimmengewirr, donnerblechernes Dröhnen, pathetisch
aushallende Gitarrenriffs, menetekelhaft dräuend. Eine zerhäckselte und bepaukte Stimme
feiert die Popkomm. Elegische Einhandkeys kommentieren das elegisch,
zu mulmig waberndem Lärmpegel. Bevor Sea Wanton einmal mehr mit einem Totalverriss für sich
wirbt ("a collection of bumbling songs that lack inspiration, punch
and soul"), rufe ich die andere Aufforderung in
den Sinn, die da, mit Hegel-, Marx- & Nietzschezungen, im Hintergrund beständig mitschwingt: Hier ist
die Rose, hier tanze.
rbd BAD ALCHEMY # 107, Germany
| index |