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review EINMALEINS DES GUTEN TONS FÜR HAUS, FAMILIE, KÖRPER UND GEIST
 

  Heiner Goebbels        
     
         
   
 

 
ICH EMPFEHLE ERIK MÄLZNER

Und andere Cassettengeister, (...) Wenn man Besitzer eines oder mehrerer CD-Spieler(s)ist, kann man sich dem Sog der Hochglanz-CD-Produktionen auf lange Sicht nicht entziehen. Wer eine CD auflegt, kann mit gutem Recht ein Produkt erwarten, das diesem technologischen Standard entspricht. Mit Fernbedienung und digitaler Programmierung, mit rauschfreier Widergabe lassen sich Amateuraufnahmen und Ungestaltetes nichtmehr goutieren. Dennoch gibt es andere Hörbedürfnisse, und in meinem Handschuhfach fürs Autoradio bzw. in dem unaufgeräumten Drittel meines Schreibtischs türmen sich seit Monaten hartnäckig immer noch Cassetten, Cassetten die ich nicht missen mag und die auch nur als Cassetten funktionieren, mit ihrer charmant improvisierten Aufmachung, mit der großen Liebe des homerecordings. Auf CD könnten sie den Widerspruch zwischen Standard und Ausführung nicht aushalten, aber daß sie das nicht wollen, zeichnet ihre erfreuliche Haltung ja aus: (...) Da ist noch ein zweiter Cassettengeist, der seit längerem in meinen Recordern spukt. Völlig unaufgefordert bekomme ich von Zeit zu Zeit Cassetten mit so illustren Titeln wie z.B. EINMALEINS DES GUTEN TONS FÜR HAUS, FAMILIE, KÖRPER UND GEIST, das bereits als 50. (!) Lieferung des offenbar hauseigenen Vertriebs mit dem Titel NO EDITION eines Herrn Erik Mälzner, Eduardstr.40 aus D-4330 MÜLHEIM AN DER RUHR ausgewiesen ist. Auf diesen Cassetten, die der Herr MÄLZNER alle selbst oder mit anderen Herren oder „Konsorten“ eingespielt hat, befindet sich erfreulich unprätentiöses Material, das meist aus Synthesizern, Gitarren, Tapes und anderem Multikulturellem zusammengesetzt ist. Oft nur einige wenige Minuten lang (wie z.B. das Stück „Kennen Sie Michael Altfeld?“ 2.49 oder „La Danza degli animali grande e piccoli“ 1.30 von der Cassette KITSCH AS KITSCH CAN, die unter dem Peter-Frankenfeld-Motto von 1958 „Musik ist ein schweres Instrument“ erschienen ist). Auffällig die von allen Verwertungsinteressen unbeleckte ungeschmälerte Experimentierlust (mit der Betonung auf Lust), die ich ansonsten so bedenklich finde, die hier aber nie akademisch daherkommt, nie schwer, nie pathetisch, nie borniert und genau zur Erscheinungsform Cassette paßt. Man hört, Herr Mälzner komme eher von der bildenden Kunst, was seine zuweilen naive Unbekümmertheit in der musikalischen Verfahrensweise aufs angenehmste erklärt. Ich empfehle Erik Mälzner.

Heiner Goebbels, WoZ (Wochenzeitung) Zürich, Schweiz Nr.28-30 12.7.1991 # 56
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