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  review MAG IV  

  Albrecht Pilz, Keys # 06/07  
   
  rbd - BAD ALCHEMY # 51    
         
 

 

 
 

Avantgarde sei das französische Wort für Bullshit, hat einst ein Beatle gespottet. Einer, der Ahnung vom Metier hatte, grenzte doch manches, was eine mit ihm verbandelte japanische Fluxus-Künstlerin in Vinyl pressen ließ, an Vokalterror. Auch Erik Mälzner lotet seit Jahren die Grenze aus, an der organisierte Kakofonie endet und und das Chaos unkontrollierbar zu expandieren beginnt - weshalb Mälzners Label No Edition gut und gern auch den Namen Oh No! Records tragen könnte. Umso verblüffender, wie der radikale Experimentator aus Mülheim/Ruhr in den neun Stücken seines neuesten Albums "MAG IV" (erhältlich nur beim Erzeuger, Kontakt-Link auf der Website) den dem Abdriften ins kakofonische Chaos nicht abgeneigten Output seiner Klanggeneratoren (Midi-Keyboard, Synthesizer, Sampler, String-Piano, Computer, Orgel, Banjo, Saz...) zu nachvollziehbar strukturierten Slo-Mo-Kompositionen bündelt und "Avantgarde" mithin goutierbar macht. Der Autechre-eske Drum'n'Bass-Part in "Insula Ingenium" (Tipp) beweist: Auch ein Beatle konnte irren.

Albrecht Piltz, Keys #06/07, Germany

 

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„...ich bin nicht von Tönen besessen / sie sind mir mehr oder weniger egal / ich verwende sie einfach nur...“, heißt es im ‚Prolog (Elder Musician)‘ der neuen No Edition, mit der Erik Mälzner (*1951, Merseburg) einmal mehr in die Mülheimer Grauzonen eintaucht. Eine Obsession durch Inseln beherrscht die 4. Folge seiner MAG-Reihe (2001 ff) - ‚Insula Ingenium (F84.10)‘ - ‚Treasure Island (IO151)‘ - ‚Eiland in Sense of Prigione (F.84.12)‘ und, leicht verkappt, ‘Desert Pulau mit B line (AS, 299.80)‘. Ein durchwegs melancholischer Fond aus den knarrigen, verschleppten Klängen von Sampler, insbesondere aber Computer & Midi-Keyboard, bekommt für jeden der neun Trips in die Nebelbänke der Isolation, Einsamkeit oder Einkerkerung einen je spezifischen Anstrich durch Psalterium, Perkussion & Brandglocke oder Krimskrams, Piano & Perkussion, Zurnagenäsel & Sequencer, String-Piano, Saz & Banjo bzw. Elektroorgel. Die gurgelnde Vocoderstimme des Prologs wirkt wie ein Erkennungsmotiv inmitten des Mälzner-Sounds aus grätigem Computergrau. Zerhackt und gedankenverloren kehrt sie bei ‚Isolation‘ wieder, diesmal aus weiblicher Kehle. Typisch sind auch stramm angerissene Bassnoten, ohne dass sich unbedingt ein Puls abzeichnen würde. Andererseits groovt ‚Treasure Island‘ als schriller Ethno-Fake und ‚Prigione‘ hämmert auf Strings wie Gefangene mit ihren Trinkbechern gegen die Gitter. Die Perkussion kommt aber oft nur tröpfelnd in Gang, tapst aleatorisch im Zwielicht. Neben Inseln kennt diese Landkarte der Weltabkehr und des Weltverlustes die ‚Isolation‘ als solche, speziell auch in der japanischen Version des Hikikomori, des Rückzugs- und Verweigerungssyndroms (‚No Hikikomori(turi)‘). Mit dem dröhnenden, wie von Röhrenglockenschlägen durchhallten Finale ‚Anachoret out of Time‘ unterstreicht Mälzner noch einmal die Motive, das Einsiedlerische und das Unzeitgemäße. Während Dennis Báthory-Kitsz (in seinem We Are all Mozart-Blog) dem No Edition-Mutterschiff N.N. Und Ähnliche Elemente noch bescheinigen konnte, „witty, ironic and occasionally sidesplittingly funny“ zu sein, dann dürfte ihn Mälzner solo auf seine Ausgangsbefürchtung (-erfahrung?) zurückwerfen: Composers are dreadfully unfunny. Wobei mir Mälzners Dornenkrone auf dem Label durchaus ein Lächeln entlockt.

rbd Bad Alchemy # 51, Germany

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